Kunstbefreiung in Mürren:

Die Bild-Befreier kommen ungestraft davon

Gegen die Kunstaktivisten, die im Bahnhof Mürren ein Wandbild freigelegt haben, wird kein Strafverfahren eröffnet. Aber wie lange lassen die Jungfraubahnen die Schmetterlinge noch fliegen?

Alexander SuryAktualisiert: 18.11.2020, 14:47

Aus der Dunkelheit ans Licht: Das während Jahren verdeckte Wandbild aus dem Jahr 1966 im Bahnhof Mürren.

Aus der Dunkelheit ans Licht: Das während Jahren verdeckte Wandbild aus dem Jahr 1966 im Bahnhof Mürren.Foto: Alex Winiger/mural.ch

Die Kunstbefreiungs-Aktion im Bahnhof Mürren hatte im Frühsommer dieses Jahres weit über das Tal hinaus für Schlagzeilen gesorgt. Eine Gruppe langjähriger Mürren-Fans und Kunstliebhaber um den Autor Tom Kummer, Alt-Nationalrat Peter Vollmer, die Historikerin Gisela Vollmer sowie den emeritierten Medizinprofessor Hans Hoppeler hatte ein Werbebanner der Jungfraubahnen oberhalb des Wartsaals im Bahnhof Mürren abmontiert. Das 1966 entstandene Wandbild des Plakatmalers und Grafikers Alex Walter Diggelmann, das darunter versteckt war – eine bunte Meditation in Blumen, Schmetterlingen und Schneeflocken –, sollte so der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. Weiter nach der Werbunghttps://tpc.googlesyndication.com/safeframe/1-0-37/html/container.html

Die Jungfraubahnen waren indes gar nicht amüsiert ob dieses «Streichs», lehnten die Teilnahme an einem Podiumsgespräch Ende Juli im Hotel Regina in Mürren ab und reichten Strafanzeige wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch ein.

«Die Beschuldigten beabsichtigten durch ihr Handeln nicht, der Bergbahn einen Schaden zuzufügen.»Staatsanwaltschaft des Kantons Bern

Kürzlich haben nun die insgesamt neun Kunstaktivisten von der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern Post erhalten mit dem Bescheid, dass gegen sie kein Verfahren eröffnet wird. Im Untersuchungsbericht wird festgehalten, dass sowohl die Schuld wie auch die Tatfolgen als «sehr gering» einzustufen seien, denn «die Beschuldigten beabsichtigten durch ihr Handeln das Sichtbarmachen des Gemäldes von Alex Diggelmann und nicht, der Bergbahn Mürren-Lauterbrunnen AG einen Schaden zuzufügen». Die Verfahrenskosten trägt der Kanton, eine Entschädigung muss nicht gezahlt werden. Die Jungfraubahnen haben auf einen Rekurs verzichtet.

Unterschriftenaktion lanciert

Alex Walter Diggelmann (1902–1987) ist einer der bekanntesten Schweizer Gebrauchsgrafiker des 20. Jahrhunderts. Er entwarf unter anderem die bis heute vergebenen Medaillen bei Ski-Weltmeisterschaften und gestaltete in poppigen Farben und mit expressionistischen Perspektiven zahllose Sport- und Tourismusplakate für Schweizer Winterdestinationen. Seit seiner «Befreiung» Mitte Juni ist Diggelmanns Wandbild im Bahnhof Mürren sichtbar geblieben. Die Aktivisten haben laut eigenen Angaben über den Sommer und Herbst viele positive Rückmeldungen erhalten und auch eine Unterschriftenaktion lanciert.

In einem Brief von Anfang November an den Chef der Jungfraubahnen, Urs Kessler, schreiben Tom Kummer, Gisela Vollmer und Hans Hoppeler als Vertreter der Gruppe, es sei ihnen ein Anliegen, «dass bei der Planung des Bahnhofsumbaus dafür gesorgt werden kann, dieses Wandbild allenfalls noch besser zur Geltung zu bringen». Der behindertengerechte Umbau des Bahnhofs ist für 2022 geplant, wie Kathrin Naegeli, Sprecherin der Jungfraubahnen, auf Anfrage bestätigt. Weiter nach der Werbunghttps://38959513ae57d9cb979bebc94f085c08.safeframe.googlesyndication.com/safeframe/1-0-37/html/container.html

Ansonsten geben sich die Jungfraubahnen zugeknöpft. Ob das Wandbild dereinst im umgebauten Bahnhof einen festen Platz bekommen wird, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch offen: «Über die Zukunft des Wandbildes werden die Jungfraubahnen im Rahmen des Umbaus des Bahnhofes Mürren entscheiden.»

Zum Funkeln bringen

Die Gruppe «Diggelmann» zumindest macht in dem Brief an CEO Urs Kessler bereits konkrete Vorschläge: Eine Plakette wird angeregt, die den historischen Kontext der Wandmalerei erläutert. Weiter soll ein ungünstig positionierter Monitor vor dem Wandbild versetzt werden. «Auch sollte eine geeignete Beleuchtung die Farben des Bildes zum Vorschein bringen, um so «das Juwel in einem architektonisch wertvollen Bahnhofsgebäude» zum Funkeln zu bringen. Affaire à suivre.Publiziert: 18.11.2020, 14:46

Die Kulturtäterinnen und Kulturtäter nach der erfolgreichen Guerilla-Aktion im Sommer 2020.

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